Rahab

Bildbetrachtung von Klaudia Weinreich, Acryl auf Leinwand, Maße: 0,50m x 0,60m

(Quelltext: Josua 2, 1-24 und 6, 20-25, Die Bibel)

Rahab - eine in recht langer Form erzählte Begebenheit, die allein durch die Ausführlichkeit der Berichterstattung zu einer wichtigen Figur in der Geschichte Israels wird. Dies umso mehr, als Rahab eine der Stammmütter Jesu war: sie war die Mutter von Boas, der später Ruth heiratete.
Rahab erscheint als eine ambivalente Figur, die Geschichte lässt einige Fragen offen.

So ist zunächst ihr Beruf gesellschaftlich fragwürdig: Sie war Hure.
Warum landen die Kundschafter ausgerechnet bei der Hure? Hat Rahab das einzige „Gasthaus" in der Gegend? Nehmen sie deren Dienste in Anspruch und kommen dann ins Gespräch?
Oder hat Rahab eine so gesellschaftlich abseitige Stellung, daß die fremden Eindringlinge - als Fremde ebenfalls gesellschaftliche Außenseiter - dies ausnutzen, um nicht verraten zu werden?

Dennoch spricht sich deren Ankunft in Jericho herum - der König schickt nach ihnen, doch Rahab versteckt die Männer.
 Ihre Tat, die fremden Männer retten zu wollen, erscheint zunächst sehr mitmenschlich: Rahab scheint von dem Ansinnen ihrer Landsleute überrascht und lügt. Doch ihre Reaktion gegenüber den eigenen Leuten wirkt nicht schmählich, eher mitmenschlich und mutig.
Aber dann gibt sie die Gründe für ihr Handeln zu erkennen und ihre Handlung an den eigenen Leuten wirkt berechnend, sich nach allen Seiten hin absichernd und wird zu einem - letztendlich tödlichen - Verrat gegenüber ihren Leuten.
So wird die Sympathie für diese Frau durchaus fragwürdig, es stellt sich die Frage nach der Verlässlichkeit ihrer Worte. Diese Frage wird auch betont durch den weiteren Verlauf der Berichterstattung: Die Kundschafter verhandeln mit ihr über ihr weiteres Wohlergehen, jedoch nur für den Fall, daß Rahab sich an ihren Teil der Abmachung hält. Die Kundschafter sind Rahab ausgeliefert und aus diesem Grund verlassen sie sich - zwangsläufig - auf ihr Wort, hegen jedoch Zweifel an ihrer Verlässlichkeit. Dies vielleicht auch genau deshalb, weil sie ihnen hilft - gegen die „eigene" Gesellschaft, dennoch zum Wohl ihrer eigenen Person - und dem Wohl ihrer Familie.
So ist Rahab zwar keine selbstsüchtige Verräterin, die ausschließlich ihr eigenes Überleben im Sinn hat, sondern sie rettet durch den Verrat schließlich auch ihre Familie: Eltern, Schwestern, Brüder - wer weiß, wer da noch so alles „Unterschlupf" finden konnte, denn Familien können groß oder größer sein... - und vielleicht konnte sich mit dieser „Freikarte des Überlebens" ja auch etwas Geld verdienen lassen...?

Rahab - vielleicht war sie eine Außenseiterin der Gesellschaft, vielfach gedemütigt, verletzt. Darauf könnte ihr Beruf als Hure schließen lassen. Vielleicht hat sie sich ohnehin nicht als ein zu ihrer Stadt dazugehöriger Mensch gefühlt und vielleicht war es deshalb eine Möglichkeit für sie, durch den Verrat an ihrer Gesellschaft einen besseren sozialen Status zu erhalten.
Vielleicht war sie eine ausgezeichnete Geschäftsfrau - jede Möglichkeit nach Gewinn nutzend.

Vielleicht war sie aber auch eine aufmerksame, sensible Beobachterin, wissend, daß die Zeit der gesellschaftlichen Ordnung in Jericho, so wie sie bisher bestand, mit der Ankunft des Volkes Israels nun vorbei war - nicht vielleicht und zufällig, sondern sicher und bestimmt von Gott persönlich.
Interessant ist, daß ihre Aussage den Kundschaftern scheinbar erst die Gewissheit für einen Sieg bringt: Sie wiederholen ihre Worte gegenüber Josua. Also scheint Rahab die Männer durchaus beeindruckt zu haben, oder aber ihre Einschätzung der politischen Lage war deckungsgleich mit der Einschätzung der politischen Lage durch die Kundschafter.

Das Ende der Geschichte ist ein Neuanfang: Zwar beginnt ihr „neues Dasein" wieder als gesellschaftlich randständige Figur - jenseits des Lagers - aber im weiteren Verlauf scheint sie mit ihrer Familie in das Volk Israel integriert zu werden. Dies gipfelt schließlich in der Erzählung von Rahabs Sohn Boas. Dieser war ein reicher Bauer und heiratete die Moabiterin Ruth, welche als Stammmutter Jesu gilt. Somit ist auch Rahab - die Hure - eine Stammmutter Jesu.